2016 Bischof Dr. Erwin Kräutler
2016 verlieh die Stadt Memmingen den „Memminger Freiheitspreis 1525“ an den emeritierten Bischof Dr. h.c. Erwin Kräutler.
Dom Erwin, wie Bischof Kräutler in Brasilien genannt wird, lebt seit über 50 Jahren in Brasilien. Er wurde durch sein jahrzehntelanges Engagement zu einem der wichtigsten Fürsprecher der indigenen Völker Brasiliens und ihrer grundlegenden Menschen- und Lebensrechte.
Er setzt sich für die Rechte von Frauen in Lateinamerika ein und kämpfte dafür, dass die Indios Rechtssicherheit durch den Staat erhalten. Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern erreichte Bischof Kräutler, dass die Rechte der indigenen Bevölkerung im Jahr 1988 in der Verfassung von Brasilien verankert wurden
Erwin Kräutler wurde 1939 in Koblach/Vorarlberg in Österreich geboren. 1958 trat er in die Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut (C.PP.S) ein. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie folgte 1965 die Priesterweihe. Im selben Jahr ging Erwin Kräutler als Missionar nach Brasilien und wirkt seitdem als Seelsorger im Amazonasgebiet.
Im November 1980 wurde er zum Bischof der Diözese Xingu berufen, ein Amt, das er bis zu seiner Emeritierung im Frühjahr 2016 innehatte. Die Diözese Xingu, benannt nach einem Nebenfluss des Amazonas, ist flächenmäßig ungefähr so groß wie Deutschland.
Seine Arbeit und sein Einsatz gelten der „Option für die Armen und die kulturell Anderen“. Seinen Auftrag als Christ sehe er nicht darin, so formulierte Erwin Kräutler einmal, den Menschen in Lateinamerika ein abendländisches Glaubenspaket zu übergeben, sondern in einem solidarischen Mit-Leben zu erfahren, wie sie denken und wie sie selbst sind. Auf unterschiedliche Weise setzt sich der katholische Geistliche für den Überlebenskampf der indigenen Völker auf dem lateinamerikanischen Kontinent und für den Erhalt ihres Lebensraums ein. Er drängt zum Bewusstseinswandel sowohl vor Ort wie auch in den westlichen Industrienationen.
Der Bischof prangert aus diesem Verständnis heraus immer wieder politische, wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeiten an. Er prägte den Begriff „Mitwelt“, der eine Aufwertung des Begriffs „Umwelt“ in sich trägt und trat immer wieder gegen ökologische Missstände auf. Bischof Kräutler benennt die Folgen, die durch die Aneignung indigenen Landes für Zwecke des Siedlungsbaus, der Agrikultur oder der Energiegewinnung entstehen. Bis heute kämpft er gegen eine Ausbeutung Amazoniens. Jahrelang setzte er sich gegen das riesige Staudammprojekt Belo Monte ein, durch das Ackerland und Regenwald auf einer Fläche, die ungefähr dem Bodensee entspricht, überflutet werden soll.
Im Jahr 1983 wurde Kräutler wegen seiner Teilnahme an einer Solidaritätsaktion mit Zuckerrohrpflanzern, die mehrere Monate keinen Lohn mehr erhalten hatten, von der Militärpolizei festgenommen und gefoltert. Am 16. Oktober 1987 überlebte er einen Mordanschlag schwer verletzt. Immer wieder wurde sein Leben bedroht, seit Jahren steht er unter Polizeischutz.
Den „Memminger Freiheitspreis 1525“ erhielt er aus den Händen von Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger am 25. September 2016 vor rund 3.000 begeisterten Besuchern und Gästen. Die Festlaudatio hielt Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm: „Sie leben und verkörpern, woran der Memminger Freiheitspreis erinnert“, würdigte ihn der Laudator, damaliger Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern und als EKD-Ratsvorsitzender der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche in Deutschland.
„Als ich die Zwölf Bauernartikel zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mich sofort damit identifiziert“, erklärte Bischof Kräutler in einer Ansprache. Er erinnerte an das Leid der Indios, die um 1500 von den Europäern als Nichtvölker ohne Seele angesehen worden seien. Er betonte, dass um den Erhalt der gesetzlichen Verankerung ihrer Rechte weiter gekämpft werden müsse.
Bischof Kräutler sei ein „vorbildhafter Streiter für Recht und Gerechtigkeit“ würdigte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger die Lebensleistung des Geehrten bei der öffentlichen Feierstunde in der Stadt der Freiheitsrechte.