2005 Gyula Horn
Erster Preisträger des Memminger Freiheitspreises ist Dr. Gyula Horn. Er war Außenminister der Volksrepublik Ungarn und späterer Ministerpräsident der Republik Ungarn.
Gyula Horn hat sich bei der Öffnung des Grenzzauns zwischen Österreich und Ungarn im Sommer 1989 um die Wahrung universeller Freiheitsrechte verdient gemacht. Mutig war seine Entscheidung zu Gunsten eines legalen Transits ostdeutscher Flüchtlinge durch Ungarn. Sein beispielhafter Einsatz für den internationalen Dialog und die allgemeine Gültigkeit von Freiheit und Humanität hat dem Geschichtsverlauf der Jahre nach 1989 einen entscheidenden Anstoß gegeben und stand am Beginn des deutschen und schließlich europäischen Einigungsprozesses.
Menschenrechte seien wichtiger als selbst die vertraglich abgesicherte Solidarität mit dem Warschauer-Pakt-Partner DDR, begründete Horn die Ausreise der Flüchtlinge, die der Auftakt der politischen Wende im Osten Europas wurde. Legendär ist sein persönlicher Einsatz, als er am 27. Juni 1989 mit seinem österreichischen Außenministerkollegen ein symbolisches Stück Grenzzaun zwischen Ungarn und Österreich durchtrennte.
„Eine visionäre Kraft des außenpolitischen Denkens und Mut“ bescheinigte Außenminister Hans-Dietrich Genscher seinem ungarischen Amtskollegen im Januar 1990.
Gyula Horn wurde am 5. Juli 1932 in Budapest geboren. Der Vater, deutschstämmiger Arbeiter und Kommunist, war während des zweiten Weltkrieges im Untergrund aktiv, bis er 1944 von der Gestapo ermordet wurde. Gyula Horn wurde nach Verdiensten im kommunistischen Jugendverband die höhere Schulbildung ermöglicht und schließlich das Studium der Wirtschaftswissenschaften in Rostow am Don.
Seit 1953 war er Mitglied der kommunistischen sozialistischen Arbeiterpartei Ungarns und arbeitete in verschiedenen Staatsministerien. Immer setzte er sich für eine Liberalisierung Ungarns ein. Seine Arbeit im Außenministerium zeichnete sich durch Klarheit und internationale Offenheit aus.
Die Öffnung der ungarischen Grenze zu Österreich in der Nacht zum 11.9.1989 ermöglichte schließlich die Flucht Tausender DDR-Bürger in den Westen. Hier fiel Gyula Horn eine historische Rolle zu, die er kraftvoll ausübte.
Bei den ersten freien Wahlen Ungarns im April 1990 verlor Horns reformsozialistische Partei zwar die Regierungsgewalt an eine bürgerliche Koalition. Aber 1994 übernahmen die Sozialisten unter seiner Führung die Regierungsverantwortung mit einer absoluten Stimmenmehrheit. Gyula Horn wurde Ministerpräsident von Ungarn.
Horn betrieb eine strenge Sparpolitik, die ihm während seiner Regierungszeit auch Kritik aus den eigenen Reihen einbrachte. Sehr erfolgreich setzte er jedoch eine Politik der Westintegration in Gang: Im Juli 1997 wurde Ungarn in die NATO aufgenommen, am 13. April 2003 sprachen sich schließlich 83% der Ungarn für eine Betritt ihres Landes zur EU aus.
Bereits im Mai 1998 hatte Horn die Wiederwahl mit seiner Sozialistischen Partei verfehlt. Nach der Ablösung als Regierungschef zog er sich auch aus dem Parteivorstand zurück. Gyula Horn starb am 19. Juni 2013 in seiner Geburtsstadt Budapest.