Den unterdrückten Namenlosen eine Stimme geben
Im Zentrum stehen die beiden Kompositionen "La Fabbrica illuminata" und "Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz" des italienischen Komponisten Luigi Nono (1924 - 1990).
Bei der Etablierung der musikalischen Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Zusammenhang mit der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten das damals neu erfundene Magnettonband von verschiedenen Komponisten quasi als Musikinstrument und Klangerzeuger eingesetzt. Dabei wurden einerseits zuvor aufgenommene Töne, Umweltgeräusche ect. in eigens dafür geschaffenen Studios aufwändigen Manipulationen unterzogen. Andererseits entstanden mit elektronischen Mitteln bis dahin nie da gewesene Klänge , die dann zu Kompositionen zusammengefügt wurden. Neben dem Studio für Elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks in Köln, wo Karlheinz Stockhausen in den fünfziger Jahren mit seinen bahnbrechenden Arbeiten für Aufsehen sorgte, entstanden - ebenfalls mit staatlichen Mitteln gefördert - entsprechende Einrichtungen auch in Mailand, Brüssel, Utrecht, Paris u.a.. Während es Stockhausen bis auf wenige Ausnahmen darum ging, bei seinen kompositorischen Arbeiten im Sinne einer "art pour l´art" die neuen elektronischen Möglichkeiten künstlerisch zu erforschen, verstand sich Luigi Nono als bekennender Sozialist seit jeher als Ausdrucksmusiker mit dem ästhetischen Anspruch, sich gegen Unrecht aufzulehnen und den namenlosen Unterdrückten und Benachteiligten in seiner Kunst eine Stimme zu geben.
„La Fabbrica illuminata" ("Die erleuchtete Fabrik") für Sopran und Tonband entstand im Jahr 1964 im Studio des staatlichen italienischen Rundfunks (RAI) in Mailand. Nono verbindet hier in einem Walzwerk in Genua - aufgrund der Arbeitsbedingungen und der häufigen tödlichen Unfälle auch "Todesfabrik" genannt - aufgenommene akustische Eindrücke und im Studio synthetisch erzeugten Klänge , die vom Tonband wiedergegeben werden, mit dem hinzukomponierten Gesang der live agierenden Sopranistin zu einem beklemmenden und anklagenden, zugleich aber auch Hoffnung verbreitenden Komposition. So schließt das Werk mit dem von der Sängerin vorgetragenen Satz: "Vergehen werden die Morgen - Vergehen werden die Ängste- Es wird nicht immer so sein."
„Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz" („Erinnere dich , was sie dir in Auschwitz angetan haben") aus dem Jahr 1966 ist eine reine Tonbandkomposition. Es handelt sich dabei um die elektronische Verfremdung einer auch von Nono stammenden Chorkomposition, die als Bühnenmusik zu dem Theaterstück „Die Ermittlung" von Peter Weiss entstanden ist, in dem auf der Basis von Originaldokumenten der erste Prozess gegen die Beschuldigten von Auschwitz in den 60er Jahren thematisiert wird. Die Komposition beruht auf menschlichen Lauten ohne Text.
Diesen beiden Werken von Luigi Nono werden als Kontrast die beiden Choralvorspiele „Aus tiefer Not schrei ich zu dir" BWV 686 und BWV 687 aus der „Clavier Übung Band III" für Orgel von Johann Sebastian Bach gegenübergestellt. Den Abschluss des Konzerts bilden die 1941 entstandenen „Variationen über ein Rezitativ" op.40 von Arnold Schönberg (1874-1951) , dem Schwiegervater von Luigi Nono, ebenfalls für Orgel.
Ausführende:
Anne-May Krüger (Sopran): Geboren in Berlin, studierte Gesang bei Rudolf Piernay und an den Musikhochschulen in Leipzig und Karlsruhe. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf dem Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts. Zahlreiche Werke u.a. von Hans Tutschku, Kurt Schwertsik, Mike Svoboda, Manos Tsangaris und Andreas Eduardo Frank entstanden eigens für sie. Engagements führten sie ans Oldenburgischen Staatstheater, das Nationaltheater Mannheim, das Theater Basel und die Staatsoper Stuttgart sowie zu Festivals wie Wien Modern, MaerzMusik (Berlin) und Lucerne Festival. Seit 2023 hat sie eine Professur an der Hochschule für Musik in Basel inne.
Kurt Renner (Orgel): Geboren 1960, war Orgelschüler von Hans Braun, Winfried Bönig und Christian Weiherer. Nach seinem C- Examen hatte er von 1976 bis 1978 das Organistenamt an St. Johann in Memmingen inne. Seit 1994 ist er Organist in Heimertingen. Sein umfangreiches Repertoire und seine herausragenden künstlerischen Fähigkeiten führen immer wieder zur Zusammenarbeit mit dem Kirchenchor St. Josef, concerto 99, dem Allgäuer Kantatenchor und der ev. Kantorei St. Martin. Kurt Renner konzertierte u.a. in Berlin, Rom und Budapest.
Rainer Lorenz (Klangregie): Studierte Musik und Informatik in Karlsruhe. Seit 2018 ist er Leiter des ComputerStudio der HfM Karlsruhe. Schon während seiner Ausbildung als Musiker galt sein Interesse auch der Praxis des Zusammenspiels von Musik und Technologie. Mit der Begegnung mit Luigi Nono, Hans Peter Haller in 1984 und dem Tonmeister Friedrich Mauermann wurde der Themenbereich der angewandten Musiktechnologie/-Informatik ein zentraler Schwerpunkt seiner Arbeit. Er war Konzertpianist, Lehrer für Klavier und Musiktheorie, Jazz- und Tanzmusiker, Tonmeister, Musikproduzent, Stipendiat der Akademie Schloss Solitude Stuttgart und initiierte und leitete das Unterrichtsangebot „Medien“ an der MuKS Bruchsal. Er war als Komponist und Klangregisseur Mitglied der NKG Neuen Komponisten Gesellschaft Karlsruhe und Mitarbeiter am ZKM, Gastdozent an der ETH Zürich und Mitarbeiter am Forschungsprojekt „Virtueller Hochschulverbund Karlsruhe“ des Landes Baden-Württemberg.Nach dem Studium gründete er das Studio für angewandte Audio- und Medientechnik. Im Rahmen dieser Tätigkeit arbeitete er mit vielen namhaften Komponisten, Firmen, Institutionen und Festivals für zeitgenössische Musik und Kunst in Europa zusammen. Als Spezialist für Musik und Musik-/Medientechnologie wurde er an die HfM gerufen, um dort zusammen mit Prof. Dr. Troge das ComputerStudio aufzubauen, das als Studio für elektronische Musik und neue Medien zusammen mit dem ZKM und anderen kulturellen Einrichtungen in Karlsruhe im Rahmen der Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg Anfang der 1990ger an der HfM eingerichtet wurde.
Eintrittsinfo (Kosten, Zugang, ...)
folgt
Augsburgerstraße 14
87700 Memmingen